«Die kindliche Freude in mir wiederzuentdecken und sie mir zu erlauben»
Die Winter-, Advents- und Weihnachtszeit ist meine liebste Jahreszeit. Schon als Kind konnte ich es kaum erwarten, all den Zauber, den diese magische Zeit mit sich bringt, endlich wieder mit all meinen Sinnen zu erleben und zu fühlen. All die Düfte, all die Leckereien, die Weihnachtslieder, die gemeinsamen Momente, das Basteln und Schreiben von Wunschzetteln, das Warten und Fiebern auf das Christkind, der prächtig und üppig geschmückte Weihnachtsbaum mit seinen vielen leuchtenden Lichterketten. Endlich, nach so langem Warten, erklang das Glöckchen, und die Tür ins Wohnzimmer wurde geöffnet – der Anblick war einfach atemberaubend, magisch und zauberhaft.
Wo sollte man nur zuerst hinblicken: unter den Baum, wo die Geschenke lagen, oder auf den grossen Baum mit all den unterschiedlichen, handbemalten, verschiedenfarbigen Weihnachtskugeln, selbst gebastelten Stroh- und Papiersternen, Nussknackern, Tannenzapfen, Herzen, Glocken, Engeln oder den duftenden Orangenscheiben, die mit Zimtstangen dekoriert waren? Die Baumspitze zierte ein Stern oder das Christkind, und die Weihnachtskrippe mit handgeschnitzten Holzfiguren erzählte die Geschichte der Geburt des Jesuskindes. Jedes Jahr war die Enthüllung des Baumes das Grösste für mich.

Die Adventszeit mit der Tradition, selbst ganz verschiedene Weihnachtsplätzchen zu backen und sie in schönen Dosen zu verstauen, bis sie zum 1. Advent endlich auf die eigens dafür vorgesehenen Teller durften – wie köstlich sie schmeckten! Das festliche Schmücken und Dekorieren des Hauses, auch das Nachdenken über persönliche und ganz individuelle Geschenke, lässt mich bis heute in die magische Zeit um Weihnachten eintauchen und all die scheinbar ganz furchtbar wichtigen Dinge des Lebens einfach einmal sein und ruhen lassen.
Sind die Dinge, von denen wir denken, sie seien wichtig, wirklich die Essenz des Lebens?
Eine besondere Tradition bestand auch darin, sich Gedanken über das Essen am Weihnachtsabend und an den Weihnachtsfeiertagen zu machen, welche Lieder wir einstudieren wollten, welches Gedicht oder welche Geschichte vorgetragen werden sollte. Wie sollte der Ablauf unseres Überraschungsprogramms sein: vor, nach oder während der Bescherung?

Auch der Weihnachtsbaumverkauf aus unseren eigenen Christbaumkulturen war für all die jährlich wiederkehrenden Familien ein ganz besonderes und persönliches Erlebnis. Die Auswahl an Bäumen war riesig und vielfältig: Nordmanntannen, Kiefern, Blautannen, Fichten, Douglasien – oh, welcher Duft sie verströmten, wenn man die Nadeln aneinander rieb. Auch die Coloradotanne war eine auserlesene Baumart, die Lieblingsart meiner Grossmutter.
Die eigene Suche nach dem perfekten Weihnachtsbaum war für viele der Höhepunkt. Danach genossen sie Punsch oder Tee, Weihnachtsplätzchen und Stollen bei gemütlichem Beisammensein rund um die wärmende Feuerschale, begleitet von heiterem Lachen und fröhlicher Geselligkeit.
Meine kindliche Freude war riesig – bei all den leuchtenden Augen, den schönen Augenblicken, bei all den Gefühlen der Leichtigkeit und Unbeschwertheit. Auch bei den Erwachsenen waren diese Gefühle in jenen Momenten allgegenwärtig.
Mich verzauberte besonders das Zuschauen der tanzenden Schneeflocken, wie sie sanft zu Boden fielen und die Welt, den Ort, an dem wir lebten, in ein neues Kleid hüllten.

- Wie ist es bei dir?
- Erlaubst du dir heute, all die kindliche Freude
- noch zu leben?
- Die Neugier am Entdecken?
- Die Vorfreude auf den Weihnachtsabend?
- An welche kindlichen Traditionen erinnerst du dich?
- Welche davon bringen dein Herz zum Singen,
öffnen es wieder?
Oder ist auch dir diese Zeit mit all ihren Konflikten, der Hektik, dem Stress, dem täglichen Druck, dem ständigen Erfüllen-Müssen, dem Abliefern, dem Funktionieren und dem „Ich habe keine Zeit“ zum Opfer gefallen?
Auch ich hatte eine Phase in meinem Leben, in der es genauso war. Ich habe mich selbst verloren – verloren dabei, wie ich mehr und mehr versuchte, meinem persönlichen Umfeld, der Familie, dem Partner, dem Aussen, der Gesellschaft und all den Erwartungen anderer gerecht zu werden, immer mehr zu leisten. Doch ich genügte nicht. Ich wurde ihnen nicht gerecht, auch nicht, als ich stets an meiner Leistungs- und Kapazitätsgrenze arbeitete – nicht nur körperlich, sondern vor allem psychisch und seelisch. Die Arbeit, die Familie, die endlosen Verpflichtungen wurden nur noch mehr. Ohne es zu bemerken, bürdete ich mir immer mehr auf, in der unbewussten Hoffnung, dass, wenn ich noch mehr leiste, ich dazugehöre, wahrgenommen werde und Liebe erfahre.
Doch meine Strategie ging nicht auf. Ich habe nicht nur den Zauber der Weihnachtszeit aufgegeben und vergessen, sondern vor allem mich selbst – als eigenständige Persönlichkeit inmitten all der To-dos. Irgendwann hatte ich mir unbewusst selbst verboten, mir nicht mehr erlaubt, ja regelrecht verlernt, mein eigenes Leben und meine Gesundheit zu achten, wertzuschätzen und in Freude und Leichtigkeit zu leben.
Ich lebte für die anderen. Für die Familie, die Firma, den Job. Eine volle Agenda, Termine hier und da, ein überfülltes E-Mail-Postfach, zahlreiche Anrufe, WhatsApp-Nachrichten, Haus- und Gartenarbeit, Weiterbildungen, körperliche Fitness – alles forderte von mir stets Präsenz, Erfüllung und Leistungsdruck überall.

Selbst ich verlangte und erwartete es von mir selbst. Den Schlamassel, in dem ich steckte, erkannte ich nicht, ich war es gewohnt, ich war trainiert, konditioniert von klein auf, zu erfüllen, aufzufangen, dazu sein, zu helfen, zu funktionieren wie ein Schweizer Uhrwerk. Ich wurde mir selbst zum Verhängnis, den Teufelskreis, in dem ich mittendrin war, im Hamsterrad, teils im eigenen Gefängnis, gefangen mit all meinen Gewohnheiten, Überzeugungen, Glaubenssätzen, Prägungen und Verhaltensmustern. All dies war für mich nicht mehr zu erkennen – bis es mich herausgeschleudert hat, weil ich mir immer mehr und mehr aufgeladen und in meine Verantwortung übernommen habe. Die Veränderung freudig begrüssen? Wahrhaben wollte ich es dann noch immer nicht, annehmen, aufhören, loslassen, ich muss doch was tun, weiterkämpfen, weitermachen, sie verlassen sich auf mich, habe es zugesichert usw. dominierten meine Gedanken, meinen Fokus.
Wo bleibe ich, war irgendwann eine Frage, die ich mir stellte. Unbewusste Verstrickungen, Abhängigkeiten und Sehnsüchte trieben mein Handeln, bis ich mehr und mehr aufwachte – aus dem Albtraum, in dem ich lebte, und es mir nicht mehr möglich war, die Augen, vor der Realität, der Gegenwart zu verschliessen. Rückblickend, Gott sei Dank, es war meine Erlösung, meine Rettung, mein Ausbruch aus diesem Kreislauf, der toxisch wirkenden Beziehungsmuster, Abhängigkeiten und Verbindungen und der Beginn mich selbst am allerwichtigsten in meinem Leben zu nehmen. Es ist mein zeitlich begrenztes Leben.
- Wie will ich es hier auf Erden leben?
- Wie will ich mein Leben erleben?
- Welches Vorbild will ich sein?
- Für mein Umfeld, in Beziehung mit Geschäftspartner, Mitarbeiter oder für die Kinder der Zukunft?
- Was lebe ich ihnen vor?
- Welche Werte lebe ich selbst?

Heute wähle ich bewusst und tue, was mein Herz erfreut, was mir Freude bereitet, wo es sich leicht anfühlt und einfach ungehindert fliesst. Ich sage Nein zu Dingen und Anfragen, die mich nicht betreffen oder für die ich keine Energie und Zeit mehr zur Verfügung stellen möchte. Ganz oft sage ich auch ganz liebevoll STOPP zu mir selbst, wenn ich mich dabei ertappe, dass die alte Dynamik und die alten Mechanismen wieder die Oberhand gewinnen wollen.
Ich erlaube mir, mein Leben so einzurichten und zu gestalten – auch meinen Berufsalltag –, wie es für mich stimmig ist. Im Dezember lebe ich meine kindliche Vorfreude auf Weihnachten, leere meinen Schreibtisch von offenen Pendenzen, plane Termine erst für Januar und habe aufgehört, mich daran zu orientieren, was die angeblich wohlgesinnte Gesellschaft von mir erwartet. Ich habe aufgehört, mir Sorgen darüber zu machen, was andere gerade über mich denken, wie sie mich finden, bewerten oder beurteilen – sie denken und reden sowieso. Deshalb kann ich mir genauso gut erlauben, das zu tun, was ich liebe und was mir Spass macht, und das mit ganz viel Leichtigkeit und Einfachheit. Ich habe aufgehört, mich selbst ständig zu kritisieren und anzutreiben.
Es ist möglich – wir müssen uns nur selbst die Erlaubnis dazu erteilen. Bei mir waren es grösstenteils überlieferte und übernommene Glaubenssätze aus der Familie, die ich lange Zeit gelebt habe. Rückblickend waren sie jedoch nicht wirklich meine. Ich hatte sie einfach übernommen, als meine Wahrheit akzeptiert und danach gelebt – doch mit meinen eigenen Werten und Überzeugungen harmonierten sie nicht.
Es war höchste Zeit, Eigenverantwortung für mich zu übernehmen, für mich einzustehen und den Reset-Knopf zu drücken – ohne Ausreden, Entschuldigungen, eigene Sabotage-Mechanismen. Denn es gäbe ja immer etwas anderes zu tun, und irgendetwas
scheinbar wahnsinnig Wichtiges würde immer dazwischenkommen.
Aber gibt es etwas Wichtigeres, als sich um das eigene Wohlergehen zu kümmern?
Wir sind in der Regel so erzogen worden, dass wir uns schön anpassen, brav und gehorsam sind, nicht zu sehr auffallen, uns zurückhalten und klein machen sollen, uns nicht zu wichtig nehmen. Als Kinder wurden wir oft getadelt, geschimpft und zurechtgewiesen. Irgendwann haben wir dann aufgehört zu träumen und Teile unseres Wesens – den Schelm, die Kecke, die Lebenslustigen – aufgegeben.
Wir haben den Zugang zu uns selbst, zu unserem wahren Sein, unserem inneren Wesen verloren. Wir haben uns immer mehr von unserem inneren Kompass, unserer Intuition und unserem Herzen abgetrennt und uns selbst nicht mehr als wichtig, besonders oder grossartig wahrgenommen. Wie auch, bei all der Bevormundung und Einschüchterung?

Doch das Gute an der Sache ist: Wir können es jetzt verändern! Die Schatzkiste mit der Zauberformel ist in uns. Alles, was wir brauchen, ist bereits in uns angelegt – wir müssen es nur wiederfinden, erwecken und in unser alltägliches Leben integrieren. Es liegt an uns, uns zu erlauben, unser wahres Wesen zu leben – vor uns selbst, vor der Familie, dem Partner, vor Freunden und sogar vor dem Chef oder Geschäftspartnern.
Denn wir haben das Recht, all die tief in uns verborgenen Fähigkeiten, Stärken, Sehnsüchte, Bedürfnisse, Wünsche und Träume zu leben und uns zu erfüllen.
Unterdrücken wir sie jedoch weiterhin, braut sich in uns – ich spreche hier aus eigener Erfahrung – ein Cocktail aus Leid, Wut, Kummer, Ärger, Frust, Aggression und Überforderung zusammen. Am Ende lauern Erschöpfung, Depression und Burnout auf uns.
Wenn wir immer wieder dasselbe tun, immer wieder die gleichen Entscheidungen treffen und gleichzeitig andere Ergebnisse erhoffen, entkommen wir dem Kreislauf, dem Hamsterrad mit all den stetig steigenden Anforderungen nicht. Mein Geheimnis, aus diesem Schlamassel herauszukommen, war, meiner inneren Stimme Aufmerksamkeit zu schenken, dem Ruf meiner Seele und meinem Herzen zu lauschen, ihm zu folgen und den Verrat an mir selbst zu beenden.
Es beginnt mit einer Entscheidung und deiner Vision vom Leben. Viele suchen nach dem Sinn des Lebens. Wie wäre es, dem Leben einen neuen Sinn zu geben?

Wie wäre es, die Verantwortung für das eigene Glück selbst in die Hand zu nehmen?
Es verlangte von mir einiges an Mut, aber die Veränderung in meinem Leben kann ich mittlerweile auf vielen Ebenen geniessen, und sie hat auf allen Ebenen Entspannung und sogar Freude gebracht.
Eine jüngere Weihnachtstradition von mir ist es, einen Weihnachtswunsch, niedergeschrieben auf einem Stück Papier, an den Christbaum zu hängen, damit das Christkind ihn mitnehmen und er in Erfüllung gehen kann – durch all die himmlischen Helfer, Gott oder das Universum.
- Welche Wünsche schlummern in dir?
- Welche warten darauf, von dir gelebt zu werden?
Vielleicht konnte meine Weihnachtsgeschichte ein wenig Inspiration und Mut in die Welt bringen, während ich einfach der Stimme meines Herzens folgte.
Frohe, zauberhafte und magische Weihnachten wünsche ich dir und für das Jahr 2025 ein unbeschwertes, glückliches, erfülltes und freudvolles Leben.
Constanze I.M. von Grafenstein, Advent 2024